Älterwerden mit Hämophilie
Älterwerden mit Hämophilie
Um als Patient mit Hämophilie jederzeit bestmöglich behandelt zu werden und versorgt zu sein, ist ein solides Basiswissen über Ihre Erkrankung gerade auch mit zunehmendem Alter hilfreich. Denn so bilden Sie gemeinsam mit Ihrem Hämophilie-Arzt den Kern eines Teams, das eine optimal auf Sie zugeschnittene medizinische Betreuung in allen Lebensabschnitten sicherstellt. Am besten ist, Sie beschäftigen sich einfach schon frühzeitig mit den möglichen Herausforderungen des Älterwerdens.
> Umfassende Informationen finden Sie im Kapitel „Hämophilie A“
Die medizinischen Fortschritte in der Behandlung der Hämophilie führten zu einem erheblichen Anstieg der Lebenserwartung der Betroffenen. So lag diese im Zeitraum 1900-1942 noch bei unter 20 Jahren, in den frühen 1980er Jahren in den USA dann bereits bei fast 70 Jahren. Durch das Auftreten des HI-Virus verringerte sich Ende der 1990er Jahre die Lebenserwartung von HIV-positiven Hämophilen zunächst jedoch deutlich. Dank der modernen, sehr sicheren Faktorpräparate ist die Lebenserwartung der nach 1985 geborenen Hämophilen heute nahezu so hoch wie die von Nicht-Hämophilen.1
Da Menschen mit Hämophilie heute ein hohes Alter erreichen, besteht für sie, ähnlich wie bei Menschen ohne Hämophilie, ein erhöhtes Risiko für Krankheiten, die bei Hämophilen bisher selten waren. Hierzu zählen zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Mit zunehmendem Alter beachten Sie selbst vielleicht auch Aspekte von Lebensführung und Gesundheit, wie Fitness, psychische und sexuelle Leistungsfähigkeit immer stärker.
Dieser Wandel hat auch Auswirkungen auf die Hämophiliezentren: Bis vor wenigen Jahren waren die meisten Zentren vor allem auf die Prävention und Behandlung von Blutungsereignissen konzentriert. Damit sie den Bedürfnissen und medizinischen Fragestellungen der älter werdenden Menschen mit Hämophilie gerecht werden, wurde eine enge Zusammenarbeit mit entsprechenden Spezialisten immer wichtiger.
Seit Mitte der 1970er Jahre hat sich in Deutschland ein Versorgungsnetz aus spezialisierten Hämophiliezentren entwickelt, die Hämophilen regelmäßige und umfassende Untersuchungen sowie eine umfassende medizinische Versorgung anbieten.
In Hämophilie-Zentren werden Sie von einem Team von Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen behandelt und beraten. Der Kern des Teams besteht aus einem oder mehreren in Hämostaseologie qualifizierten Fachärzten sowie nichtärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern („Hämophilie-Assistent/-Assistentin“). Dem erweiterten Team gehören i.d.R. Spezialisten an, unter anderem aus den Bereichen Physiotherapie, Zahnheilkunde, Orthopädie, Innere Medizin, Humangenetik, Psychologie, usw.
Eine enge Kooperation innerhalb aber auch zwischen verschiedenen Hämophilie-Zentren ist wichtig, um alle Aspekte der Versorgung eines Patienten zu besprechen und individuell den besten Behandlungsplan festzulegen.
> Weiterführende Informationen finden Sie im Kapitel „Ihr Hämophilie-Zentrum“
Sie sollten nach Absprache mit Ihrem Arzt das Hämophilie-Zentrum regelmäßig aufsuchen. So können Sie sichergehen, eine ganzheitliche Behandlung und Gesundheitsversorgung zu erhalten. Wenn Sie sich dort regelmäßig untersuchen lassen, können Sie so z. B. das Risiko von stationären Krankenhausaufenthalten verringern.
Nehmen Sie die Routine-Untersuchungen wahr! Sie dienen Ihrer Gesundheit und Lebensqualität.
Ihr Hämophilie-Zentrum weist Sie auf Veranstaltungen für Hämophile hin bzw. veranstaltet diese auch selbst. Dort werden Sie z. B. über neue Behandlungsverfahren, aktuelle Trends oder Forschungsergebnisse informiert. Außerdem vermittelt Ihnen das Team auch Kontakte zu Selbsthilfeorganisationen.
Ein echter Meilenstein der Forschung ist die ADVANCE Working Group, ein Zusammenschluss europäischer Hämophilie-Experten. Das Ziel von ADVANCE ist, das Bewusstsein für die alternde Hämophilie-Bevölkerung zu schärfen und die aktuellen Managementstrategien an ihre Bedürfnisse anzupassen.
1 H. Eichler et al. Älter werden mit Hämophilie, Trias Verlag 2019