Hämophilie-Patienten aus der Ukraine

hemoTICKER 2/2022

 

Ein neues Zuhause für eine Familie und ein besonderes Film-Event für Kinder

 

Das Haus von Dr. Hartmut Pollmann ist jetzt neues Zuhause für ukrainische Familie mit Hämophilie

Der 29. Mai 2022 ist für Familie Pozdniakov ein besonderer Tag: Drei Monate zuvor war die Familie aus der Ukraine geflohen, jetzt zieht sie in ihr neues Zuhause in Münster ein – in das Haus der Hämophilie-Legende Hartmut Pollmann.  

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Familie Pozdniakov mit Lev, Mariia, Roman und Illia (v.l.n.r.)

Bereits einen Tag nach Ausbruch des Krieges waren Roman und Mariia (31 und 30) mit ihren beiden hämophilen Söhnen nach Polen geflohen. Zu gefährdet erschien in der Heimat die Behandlung von Lev, gerade fünf Jahre alt und Illia, 17 Monate.

Vier Wochen verbrachte die Familie in Polen. Von dort reiste sie nach Wiesbaden, wo DHG Mitglied Bjoern Drebing, seine Frau und seine Tochter insgesamt zwei Monate ihr Zuhause mit der vierköpfigen Familie teilten. In dieser Zeit übernahm Dr. Carmen Escuriola Ettingshausen vom HZRM in Mörfelden die Behandlung von Lev und Illia. Hämophilieschwester Karin Andritschke lernte Roman Pozdniakov während des DHG-Spritzenkurses in Mainz kennen und wies sie später zu Hause bei Familie Drebing in die iv-Applikation auch des kleinen Illia ein. So kann die Familie die Prophylaxe für beide Söhne nun eigenständig durchführen.

Vor sieben Jahren, im Juli 2015, ist Dr. Hartmut Pollmann aus Münster gestorben. Pollmann, selbst Hämophilie-Patient, hatte sein Leben mit ganzer Leidenschaft der Behandlung von Patienten mit Gerinnungsstörungen gewidmet. Pollmann hatte verfügt, seinen Besitz in eine Stiftung zu überführen. Ein Teil der Erlöse sollte Betroffenen mit Hämophilie zukommen. Allerdings gestaltete sich der bis heute andauernde Gründungsprozess der Stiftung komplizierter als gedacht. Das war auch der Grund, warum Pollmanns 120qm großes Wohnhaus in Münster bislang leer stand.

Schon kurz nach Kriegsbeginn las Marianne Göhausen – eine langjährige Mitarbeiterin von Pollmann, dass die Deutsche Hämophilie Gesellschaft (DGH) Wohnraum für Familien mit Hämophilie aus der Ukraine suchte. Zusammen mit zwei Vorstandsmitgliedern des von Pollmann für Patienten gegründeten Selbsthilfevereins Leben mit Hämophilie e.V. (LMH e.V.) konnte sie den gerichtlich bestellten Nachlasspfleger überzeugen, in dieser dramatischen Notlage behördliche Hürden zu überwinden und das Haus für die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen freizugeben, ein Beschluss, der für Familie Pozdniakov eine neue Tür öffnete. Die DHG war begeistert und vermittelte die Familie mit den beiden kleinen Kindern nach Münster.  

Der Nachlasspfleger, die zwei LMH-Vorstandsmitglieder Katrin Dagott und Inge Ostlinning sowie Marianne Göhausen richteten das Haus gemeinsam her. Das Team musste Feuchtigkeit entfernen lassen, grundreinigen, den Teich im kleinen Garten in einen Sandkasten umwandeln, ein paar Möbelstücke ergänzen… Das gemeinsame Ziel, einer geflohenen Familie ein sicheres Zuhause zu schaffen, sorgte für große Motivation und sehr viel Freude bei dieser Arbeit. Das Team der Praxis Dr. Heinrich Richter, in der Lev und Illia mittlerweile behandelt werden, sammelte Geld für die Instandsetzung und einige neue Bedarfsgegenstände. Aus dem Umfeld aller Beteiligten wurde darüber hinaus gesammelt, was noch fehlte.

Und so konnte Familie Pozdniakov dank bestens vernetzter, Hand in Hand arbeitender Akteure der Hämophilie Community überglücklich das Haus von Dr. Hartmut Pollmann in Münster beziehen. Sohn Lev besucht dort bereits einen Kindergarten. Die dankbaren Eltern sind gut ausgebildet, lernen intensiv deutsch und wollen nun schnell Arbeit finden, um der Familie in Deutschland dauerhaft eine Zukunft aufzubauen.  

Marianne Göhausen freut sich: „Dr. Pollmann hätte sich angesichts des jahrelangen Leerstands im Grabe umgedreht. Aber jeder, der ihn kannte, weiß: Dass nun eine Familie mit Hämophilie aus einer Notlage in seinem Haus in ein neues Leben startet, wäre ohne jeden Zweifel 100%ig in seinem Sinne. Ich habe das Gefühl, dies macht alles wieder gut.“    

Ein Bericht von Marianne Göhausen, Familie Pozdniakov, LMH-Vorstandsmitglieder Katrin Dagott und Inge Ostlinning, Dr. Heinrich Richter, Dr. Carmen Escuriola, Bjoern Drebing, dem Nachlasspfleger von Dr. Hartmut Pollmann und Karin Andritschke


Filmvorführung mit emotionalem Clou

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Am Montag, den 2. Mai 2022, gab es eine Veranstaltung der Deutsche Bluthilfe e.V. mit und für ukrainische Flüchtlinge, die an Hämophilie erkrankt sind. Als kleine Überraschung in Zusammenarbeit mit dem Gerinnungszentrum Rhein-Ruhr und Frau Dr. Susan Halimeh sollte ein Nachmittag im Duisburger FilmForum am Dellplatz für ein wenig Ablenkung und Zerstreuung sorgen. Die meisten Flüchtlinge waren zu diesem Tag erst seit rund einem Monat, manche erst seit ein paar Tagen in Deutschland. Gemeinsam luden wir die Kinder und begleitende Erwachsene (ca. 50 Personen) um 15 Uhr zu einer kostenlosen Sondervorführung des britischen Familien-Klassikers „Paddington – Der kleine Bär“ in der ukrainischen Fassung ein. Ein besonders emotionaler Clou: Der kleine tollpatschige Bär wird vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen.

Ein Bericht der Deutschen Bluthilfe e.V.